Bratwurstbude: Ellbogen auf Plastik
Wahrscheinlich kennen wir alle den Tag, an dem wir einfach genug haben. Wenn wir zumindest denken: "Heute ist Schluss". Kurz darauf raffen wir uns trotzdem wieder auf. Die Hauptfigur der Erzählung hat diesen Punkt gerade erreicht. Doch sein Zerwürfnis mit dem Leben lässt eigentlich keinen Zweifel mehr zu.
Eines Tages entschied er sich (so wie er fand), ganz einfach beim Imbissstand zu bleiben. Umhüllt vom aufkommenden Bratwurstbratgeruch blieb er stehen. Hier war er nur (so wie er glaubte) den Blicken zweier üblicher "Schluckis" ausgesetzt (Worte, die wohl sein Kumpel Damian benutzt hätte). Verschwitzt dachte er darüber nach, was "Glück" eigentlich war – wer es eigentlich hatte; und wann. Er fand also (so entschied er sich jetzt), dass "wir alle unser Glück doch nur für bestimmte Zeit liehen". – Wir hingen dann ab von einer unumgänglichen Hybris, um die Endlichkeit zuverlässig ständig zu übersehen.
Im Kern wurde alles offiziell schlechter (wie er befand). Das Leben eine Art kontinuierliches *bergab*. Ausgestattet mit allen Errungenschaften der aufgeklärten Zeitalter verbrachten wir unsere Jugend im sicheren Netz des *Bildungssystems*. Unfair ging's dort täglich zu, schön war's auch in Erinnerung nie. Doch es blieb ein fester, geschlossener, unmissverständlicher Ort (soweit legte er sich fest) – *Schüler* oder *Student* eine unbestreitbare Identität. Der einzige Ausweg: Rebellion.
Ohne Identität, ohne jenen festen Ort stand er jetzt vor einer der zahlreichen Zuflüchte – entstanden aus und für "diejenigen wie ihn". Denn jetzt hatten seine Gefühle und Sorgen schon überzeugt: Umgeben vom Bratwurstrauch gehörte er plötzlich dazu. Alle Bedürfnisse endlich eingedampft, die Ansprüche der *Erwerbstätigkeit* runtergespült, der Wille frittiert, die Jugend geplatzt und glasiert.
Bratwurstfettgeruch atmen morgens um 11 bedeutete eine dezidierte Freiheit (wie er sich dann eingestand) – endlich musste er niemand mehr sein. Hier würde er gemeinsam untergehn, in der banalen Gesellschaft der Schluckis neben ihm. Es ging nicht um den Alkohol und schon gar nicht des Bier (das sah er sofort). Klar, die braunen (wahlweise grünen) Flaschen brachten das dringend notwendige käufliche (günstige) Glücksgefühl … waren aber (seines Erachtens) ausschließlich die Requisiten einer viel ausdifferenzierteren Existenz.
Da sah er sich also umdrehen, die schwitzenden Laufklamotten aus Polyester weiterhin an. In der Februarkälte wurden sie bereits klamm. (Er wusste) wahrscheinlich war eben das der Punkt! – dass es für keinen der Schluckis eine Rolle spielte; spielen konnte (der Kontext war schließlich zu fern). Zu umständlich wär es für beide gewesen, sich ihn genauer anzusehn. Er war also auch hier, mehr mussten sie letztlich nicht wissen. (So fand er)
Heute Sportschweiß morgen Fettgeruch
Er hasste, was gemeinhin "Arbeiten" hieß – aber weniger was er dort tat oder mit wem er dort war. (Überlegte er dann) Es war ganz eigenartig abstrakt – so unförmig und wortlos – dieser (seiner) Hass. Weil er es nicht erklären konnte, es auch jetzt gar nicht mehr wollte – deswegen glaubte er zog es ihn rüber. Zum Plastiktisch der beiden – denn sie konnten es auch nicht erklären (aber standen aus genau denselben Gründen hier). Gleich würden alle genau wissen, warum er folgendes bestellte: "3 Bier".
Er verstand den (sein) Hass ja nicht mal; er wusste nicht mehr, was (zu sich) sagen – die eigenen Worte ertönten dann fremd. Besser die Klappe halten, geradeaus gucken – aushalten, (beschissen) wie sich's nunmal anfühlt, am Leben zu sein. Ellbogen fest auf Plastik, das jemand gegossen, verkauft und gesteckt hat. Hand selbstverständlich am gekauften Bier – wovon sich ein anderer Mann wiederum gut 11 Stunden am Tag durchschlägt.
Es spielte doch überhaupt keine Rolle – "Mir ist das alles egal!" So war die Wahrheit für ihn endlich geschmiedet. Manche kamen mit ihrer Nummer durch, manche fühlten sich (scheinbar) wohl, manche waren (beeindruckenderweise) genau richtig. / Er aber wusste jetzt, dass die Laufklamotte immer nur Verkleidung gewesen war. Hier unter dem kurzen Vordach wurde sie dann doch wieder nur *Kleidung* (so stand er jetzt da). In 3 Tagen vielleicht mit dem ein oder andern Bierflecken neben dem Sportschweiß von gestern – der Fettgeruch bereits fest sitzend im Saum.
Der Versuch, die Maskerade, der Anspruch und Optimismus – darin lagen die Fehler. Hier war sie, seine persönliche Lüge (sah er). Die Blender, sie schirmten lange sein ausschließlich temporäres Glück. Auch er war drauf reingefallen. Nicht lange, aber doch. So stand er also (sah sich kurzzeitig von oben): Die Spielfigur legt endlich die gewürfelten Schritte zurück.
In ihm war jetzt keine Kraft mehr. Seine Seele war leer. Gründe hatte es nie wirklich welche gegeben. Hilfe meist rein lapidar. Was blieb, war nun vor ihm der Imbiss. Die gemeinsame (geteilte) Leere. (Endgültig) Das letzte *egal*. Er wusste, er würde von heut an am Plastiktisch neben den beiden stehen. Wahrscheinlich Jahr für darauffolgendes Jahr.