Arbeit hilft: 10 mm mal 4
Mit der Traurigkeit kommt die Überforderung. Haltlos wabert die Hauptfigur durch die gewohnten Räume. "Was jetzt?" die Frage stellt sich auf so eine Erkenntnis immer unmittelbar. Aber aus jener Überforderung wird hier keine Paralyse, stattdessen findet er zur Ruhe zurück.
Nachdem er sich vom Sofa erhob, das Telefon weiter etwas ungelenk in der Hand (wie er bemerkte), fiel ihm dieses unangenehme Gefühl in den Magen. "Ich bin traurig" – die folgerichtige Schlussfolgerung. Schnell breitete sich ein Echo aus, kollidierte nach Wiederhall mit dem weiterhin sich ausbreitenden Gefühl aus dem Bauch. Klatschte gegen die Wellen der Traurigkeit, stürzte kurz hinauf. Eine komplexe Situation (stellte er fest) entstand. "Traurig". Gleichzeitig wusste er jetzt Bescheid – dass es so ist.
Die aufgeregte, frohe, emotionale Mutter gerade noch im Lautsprecher am Ohr. – Jetzt seine innere Reaktion auf das Gesagte/nicht-Gesagte. Eine Unterhaltung nah an der Normalität, beinahe selbstverständlich (stellte er matt und fast angewidert fest) – fast als wäre alles OK.
Diffuse Tätigkeiten (entstanden jetzt) – fünf Schritte hierhin – zehn Schritte dorthin zurück. Vielleicht Essen? "Ich bin in der Küche sowieso". Doch der Magen war weiterhin verdorben. Die Traurigkeit kam ihm samt Frühstück hoch.
"Essen hilft sicher" – Komfort-Food. Tut gut danach. Macht dicht. Erinnerungen, sattes Wohltun (das kannte er schon). / Aber: Die Assoziation war zu schwach. Er schlürfte zurück, ließ das Handy im Flur. – Arbeitszimmer: Eine seriöse Ordnung ging hiervon aus. Ruhe – hier hatte alles seinen Platz. Ob Sieg oder Niederlage, ob Jubel oder Schmerz – alles fand hier unvoreingenommen (ohne Bewertung, wie er befand) statt.
Mit sachlicher Selbstverständlichkeit existierte hier jede Emotion – gerne auch nebeneinander her. Hier war alles exakt sprichwörtlich in Ordnung. (Er konnte es sich nicht verwehren) Die Beine fest auf dem Boden meldeten es ihm einfach zurück: "Ich gehöre hierher".
Schon mit dem Bewegen der Finger
(Er bemerkte) seinen Blick fixiert auf den Wandkalender (ja!): Es gab also weiterhin noch etwas zu tun. Ein paar Infos der Mutter waren jetzt einzuspeisen. Das Gespräch erhielt eine erste Führung, Schienen wurden zur Bahn. Noch beim Notieren kam ihm (mit ausgehungerter Freude) die erste Idee. Mit der Bewegung der Finger erhielt schon ein Teil des Gesprochenen seinen Sinn – und lag nimmer so unbestimmt massig in seinem Magen herum.
Arbeit half – er spürte es deutlich (schaute sich zu). Noch während er den ersten Haftzettel (sagte nicht Post-It) beschrieb. All die aufgewühlten Sehnsüchte, der reaktionäre Schmerz, die Verwirrung, die unterlassenen Worte gebannt auf 10 mm mal 4.
Leichter also, schwebte (nun eher) die Traurigkeit in der hohen Magengrube umher. Wurde mehr etwas, das er verstand – weniger der schwere, unhebbare, nicht-zu-bergende Stein. Viel größer als die eigene, feingliedrige Hand. Weiterhin stehend im Arbeitszimmer bemerkte er, wie der Stein sich auflöste: Die Mineralien (endlich frei, wie er verstand) sich mit dem umliegenden Gewebe fast heimlich langsam verbanden.
"Arbeit hilft" stellte er fest. Sie hält mich hier.